Indienreise März 2015- Varanasi und Dharamsala


Mitte März ist eine gute Zeit um nach Indien zu reisen. Wir sind sonnenhungrig nach dem langen Winter und erfreuen uns in Nordindien an den sehr angenehmen 20 bis 30 Grad.

 

Unser erstes Ziel ist unser Charityprojekt in Nordindien- ganz nah an der heiligen Stadt Varanasi am Ganges gelegen. Der Name der  Schule „ Premjyoti“ bedeutet „Licht der Liebe“.

 

Die Schule liegt  ungefähr 12 km außerhalb von Varanasi, einer der ältesten Städte Indiens,

früher auch Benares genannt. Sie ist  zugleich eine der heiligsten Städte, ein Wohnort Shivas, einer der höchsten Gottheiten der Hindus. Er regiert über Leben und Tod, Aufbau und Zerstörung und hat die Macht den Menschen von Karma zu befreien. Eine Wiedergeburt ohne die Last der im Vorleben erworbenen karmischen Einprägungen ist ein so großer Anreiz für einen Hindu, dass Abertausende nur zum Sterben nach Varanasi pilgern.

In einem Land, wo die Armut so unübersehbar an jeder Ecke lauert, ist ein solches göttliches Versprechen Balsam für jede Seele- eine Hoffnung auf ein besseres Leben danach.

 

In der Schule Premjyoti  versuchen wir gemeinsam mit dem Direktorenehepaar, einem Hindu aus Nordindien und einer Christin aus Südindien, schon in diesem Leben ein wenig mehr von dieser Hoffnung in die Herzen der Kinder zu tragen.

 

Die Schule wurde vor 17 Jahren mit einem behinderten Schüler gegründet. Es war eine Vision dieses Ehepaares, den am meisten bedürftigen und geächteten in der Gesellschaft ein Zuhause und Hoffnung zu schenken. Die ersten Jahre hatten sie Unterstützung von einem Schweizer Industriellen, der 2006 verstarb,  als die Schule schon 200 Schüler beherbergte.

Kurz vor der Schließung  aus finanziellen Nöten erfuhr ich von diesem Schicksal.

Mit dem Mut einer Unerfahrenen gab ich mitten am Schulhof das Versprechen ab, alles mir erdenklich Mögliche zu tun um diese Schule zu retten.

 

Nun, sieben Jahre später steht dieses Projekt, vor allem durch die so liebevolle Unterstützung ganz vieler Yogaschüler in voller Blüte. Wir beherbergen inzwischen 450 Kinder zwischen fünf und 15 Jahren, davon 75 Kinder mit Behinderung.

 Zu Beginn führte ich für die  behinderten Kinder ein  Mittagessen ein und wir kauften zwei Schulbusse an. Weiters wurden 10  Klassenzimmer errichtet und ein Physiotherapie Raum eingerichtet. Vor zwei Jahren startete ich ein Webprojekt, um zum einen der Schule ein eigenes Einkommen und den  Jugendlichen  auch eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

Weiters entstanden auch  neue Sanitärräume für Kinder und Lehrer.

Wir haben mit einem umfassenden Englischunterricht ab der ersten Schulstufe begonnen,

um ihre Chancen im späteren Berufsleben zu erhöhen.

Beim diesjährigen Besuch überraschten uns die Kinder nicht nur durch ihre wundervollen Tanzaufführungen, sondern da war noch mehr!

 

Als ich vor sieben Jahren in die Schule kam, war allen Yoga völlig fremd.

Ich begann in den wenigen Tagen meiner Anwesenheit mit den behinderten Kindern und den Direktoren zu arbeiten. Alle waren sehr begeistert und mit den Jahren stieg der Wunsch in mir einen Yogaraum bauen zu lassen. Den hatten wir nun seit zwei  Jahren, und so bat ich die Schulleitung einen Yogalehrer zu suchen, der aber angeblich nicht zu finden war.

Als ich nun in die Schule kam überraschten sie mich mit einem Yogaunterricht-

Eine Lehrerin der Schule hatte begonnen sich für Yoga zu interessieren, und es war zutiefst berührend, wie hingebungsvoll sie den Unterricht gestaltete und mit welch Begeisterung die Kinder dabei waren.

Ich sah liebevoll über hochgezogene Schultern und zu tiefe Kobras hinweg,

wohl wissend, dass der indische Kinderkörper diese Kleinigkeiten gut überstehen kann .

Und war zutiefst berührt von diesem Wunder, das hier nun geschehen durfte.

Natürlich konnte ich da nicht anders- Sari hin oder her- ich stellte mich auf die Matte und zeigte den Kindern und mir zur Freude  einen Sonnengruß!

Erstaunlich, wie vielschichtig ein Sari einsatzbereit ist- Schutz gegen Sonne, Handtuch, Arbeitsbekleidung, yogatauglich, nur das Davonlaufen wird uns Frauen da schwer gemacht!

 

Unser neues Baby- ein Oberstufenprojekt für Mädchen

 

Nicht wenigen Menschen im Westen war  Indien  immer ein verwunschenes Traumland geblieben. Erst durch viele mediale Berichte um  tragische Ereignisse von Missbrauch und Abwertung  der Mädchen in den letzten Jahren, entstand auch ein Blick hinter die verklärte Welt von Elefanten und Saris, Heiligen und prunkvollen Palästen der Mogule.

Vielleicht war es ja bislang auch unvereinbar mit einem Urlaubsgefühl,  all die Tragik der Armut und des Elends mit in unser  Ferienbild zu nehmen. Zudem ist es kaum spürbar hinter prunkvollen Hotels, wo eine Übernachtung  einen Jahreslohn eines Rikshafahrers verschlingt, dass vielleicht direkt dahinter, in einer der Lehmhütten Frauen und Kinder geschlagen und missbraucht werden und unter unmenschlichen Bedingungen ihr Leben fristen.

 

Noch immer werden Mädchen sehr früh in Zwangsehen geschickt und haben dadurch auch nie mehr die Chance auf weitere Bildung. Stirbt dann noch der Mann, werden sie von seiner Familie als Knechte eingesetzt, und so ist es nicht verwunderlich, dass wir immer noch Frauen finden, die sich mit ihren Kindern vor Züge werfen, um solch Schicksal zu entgehen.

 

So haben wir letztes Jahr beschlossen, eine Oberstufe für Mädchen von 15 bis 18 Jahren einzurichten. Dadurch besteht wesentlich mehr Hoffnung und Chance, dass die Mädchen dann auch weiter auf eine Hochschule gehen können, wenn sie dies möchten. Wir werden Mädchen, die diesen Weg gehen wollen, auch danach falls notwendig finanziell und menschlich zur Seite stehen. Das Projekt wurde  nun  2014 mit acht Mädchen gestartet und soll jetzt, da es großen Bedarf gibt, ausgeweitet werden. Dazu benötigen wir weitere drei Klassenzimmer, wo wir nun wieder vermehrt um eure Hilfe bitten.

 

Der Abschied viel uns schwer, und alle in der Gruppe waren zutiefst berührt von diesem so wundervollen Beispiel von Menschlichkeit. Diese Schule zeigt, was wir Menschen, jeder einzelne von uns,  mit ein wenig Mitgefühl und Einsatz bewirken können,  danke euch allen!

 

Wir genossen noch mal den Blick auf den Ganges aus unseren Gästezimmern, spazierten noch an den Gats entlang, ließen noch mal den heiligen Fluss in uns wirken und vor allem den tiefen Glauben, den seine Wasser durch Indien tragen. Wir folgten noch einmal einem kleinem Licht auf dem Wasser, das wir mit Segenswünschen an unsere Liebsten auf den Fluss gesetzt hatten- mit hunderten anderen Lichtern und unter Gesängen der Sadhus und Priester entschwand es langsam aus unserem Blick.

Innen wurde es still – und nochmal wurde uns die Vergänglichkeit ganz nah an unser Herz geführt, als wir am Verbrennungsgat den Kopf eines Verstorbenen langsam hinabsinken sahen. Das Feuer , das Holz , der einbalsamierte Körper, der Geruch , die Gesänge,

sie erzählten uns noch einmal die Geschichte des Menschen und mahnten uns auch den Tod ins Leben zu holen, da wir ohne diese Verinnerlichung in einer ewigen Illusion und völlig unvorbereitet von einem Leben zum anderen wandern.

 

Es ist letztlich befreiend ihn vor sich zu haben, den Tod, zum Anfassen, wenn du beim Spaziergang am Ganges entlang beinah über ein Leiche stolperst, die dort mit einem rotgoldenen Tuch bedeckt am Wege liegt um dich um ein paar Rupis zu bitten,

damit ihre Seele befreit vom Körper  im Rauch himmelwärts ziehen darf.

 

„ Dead body coming“ sagte mein Guide, als sie einen Körper an uns vorbeitrugen.

Ich lächelte über die Vorstellung.  Ja in Varanasi da stehen sie auf  die Toten, und sie begleiten uns,  sie mahnen, sie zeigen auf,  sie befreien uns von unseren Ängsten,

sie gehen auf Tuchfühlung, um uns zu sagen „schau her, das bist Du auch, auch dies, umarme mich!“.

 

Ich weiß, sie lässt mich nicht mehr los diese Stadt mit ihrer unfassbaren Lebendigkeit,

die nur hier so  spürbar wird, wo der Tod mit den Lebenden tanzen darf und wo beide miteinander am Tisch sitzen. Da waren wir wieder über den Wolken Richtung Delhi, ein Blick fiel noch zurück, ich erinnerte mich an das sanfte Klingen der Glocken, den Geruch der göttlichen Räuchergaben, den alles umarmenden Sonnenaufgang über dem heiligen Gewässer.

 

Delhi – Amritsar ist eine Zugfahrt wert, vor allem wenn sie nicht in der Holzklasse stattfindet!

Wir machten es uns gemütlich und genossen die vorbeiziehende Landschaft, die uns ein wenig in die Welt des indischen Landlebens einweihte. Amritsar, die Stadt an der Grenze zu Pakistan, Mahnmal einer gescheiterten Befreiung, tiefster Herzschmerz Gandhis, sein Volk getrennt durch Hass,  der Feind im eigenen Haus. Er hätte wohl eine Freude daran, an der Friedensfeier,  dem Volksfest,  das Tag für Tag nun seit vielen Jahren an der Grenze zu Sonnenuntergang stattfindet. Die Tore zwischen Indien und Pakistan gehen auf, sowie die Herzen abertausender Menschen,  die diesem Spektakel der Grenzsoldaten jubelnd beiwohnen. Die untergehende Sonne bildet dabei den lichtvollen Rahmen und  segnet den Gedanken an ein friedvolles Miteinander ohne Stacheldraht.

 

Ja und der goldene Tempel, die Stadt der Sikh, das heilige Buch, die tägliche Ausspeisung abertausender Menschen. Jeder der hungrig ist, bekommt hier zu essen, und dies täglich, dafür sorgen hunderte Freiwillige und tausende klirrende Blechteller. Ein Symbol der Menschlichkeit, des Mitgefühls inmitten von Elend und Hoffnungslosigkeit.

Es berührt jedes Mal aufs Neue zutiefst und lässt in uns die Frage zurück, warum wir nicht auch in Österreich solch ein Projekt verwirklichen können.

 

Erholt nehmen wir am nächsten Morgen Abschied von Turbanen und einer Religion, die uns sehr tief berührt hat und fahren Richtung Berge, Dharamsala ruft.

Sobald ich die schneebedeckten Vorberge des Himalaya erblicke, beginnt in mir ein ganz eigenes Heimatgefühl hochzusteigen und ich sehe das Rot der Mönchskleider vor mir, höre ihre Rezitationen und schließe meine Augen um in mir ihre Mantras zu hören.

Vorfreude kommt auf, diese kleine Stadt hingebaut wie ein Adlerhorst am Fuße des ewigen Schnees,  ist mir zu einer zweiten Heimat geworden.

Es sind nicht nur die Menschen, es ist der tibetische Buddhismus, der mich immer wieder in seinen Bann holt. Ja, und da ist sie wieder die alljährliche Frage-: „Wird er wieder da sein, seine Heiligkeit? Kann es sein, dass ich wieder die Gnade habe ihm zu begegnen?“

Mit solch Gedanken in meinem Herzen nähern wir uns langsam unserem Ziel,

Tsechokling Monastary, am Fuße der Stadt, mitten im Wald, fünf Gehminuten vom Kloster seiner Heiligkeit entfernt. 40 Mönche, viele Jungmönche darunter, haben hier ein zu Hause gefunden und bekommen eine Schulbildung. Auf dem Gelände befindet sich der Tempel, darüber die Mönchsklausen, daneben der Lehrsaal, darunter das Gästehaus, die große Einnahmequelle für das Kloster, Ein Speisesaal, der Dank euer aller Hilfe viel Licht  und eine wundervolle Terrasse erhalten hat. Am beliebtesten ist der von uns erbaute Meditationsraum, für uns idealer Yogaraum,  für die Mönche wunderbar für Sitzungen und Rezitationen geeignet.

 

Es war ruhig in Dharamsala, ich spürte, er war nicht vor Ort bei unserer Ankunft der Dalai Lama. Aber dann , drei Tage später die wundervolle Nachricht. Die Exiltibeter geben ein großes Fest, hieß es, um den Geburtstag seiner Heiligkeit vorzufeiern!

 

Wie ein Wunder, stand ich nun wieder da, keine drei Meter von ihm entfernt als er händeschüttelnd an seinen zutiefst berührten Landsleuten vorüberschritt.

Sein Gang ist nicht mehr so sicher, man spürt , dass die Last seiner Beliebtheit an seiner Gesundheit nagt, aber diese Liebe seines Volkes , dieser unfassbar in der Seele verankerte Glaube und die Hoffnung an ihn, scheint ihm immer wieder Kraft zu geben weiterzumachen.

Kein Dalai Lama wurde je 80 Jahre alt. Ich ruf ihm  „happy birthday“ entgegen, und fühle eine innere Traurigkeit hochsteigen. Hoffentlich sind all diese Ehrungen nicht zuviel für ihn.

Werde ich ihn wohl wiedersehen? Da plötzlich schallendes Gelächter unter den Hunderten Tibetern, seine Heiligkeit klopfte  einem alten Tibeter mehrmals  auf den betagten kahlen  Kopf. Mehr Segen kann man sich wohl als Tibeter nicht wünschen.

 

Für dieses Fest hatten wir unsere Bergtour verschoben, aber dies liebend gern, obwohl uns dann der Wettergott nicht ganz hold war. Wir mussten am zweiten Tag wegen zu starkem Gewitter wieder runter vom Berg. Wie jedes Jahr sind alle nach kurzer Zeit in Dharamsala verliebt. Nicht nur, weil seine Heiligkeit den ganzen Ort verzaubert, die Mönche uns mit ihren Rezitationen in unsere innere Welt entführen, sondern auch weil das Essen so unsagbar gut ist. Und als wir frühmorgens unsere Koffer ins Taxi stellen, die Segensschals von Thupten und Sonam um den Hals gelegt bekommen, und noch einen Blick zurück auf den Tempel werfen, wünschen wir uns alle bald wieder kommen zu können an diesen Ort der Stille und Einkehr, in die Nähe dieser wundervollen Gesänge und Gebete und mitfühlenden Herzen der Mönche und natürlich auch für Cheesecake, Apfeltarte und Momos.

 

In meinem Herzen schwingen noch die Glocken der Mönche nach , ich fühle ihre Handbewegungen mit dem Dorje. Mein Geschenk von Sonam dem  Klostervorsteher an mich am Tag zuvor war eine Glocke und ein Dorje. Und  ich höre noch Nyma,  meinen lächelnden Mönch mit dem Namen Sonnenstrahl lachend bei der Übergabe sagen: „Oh Rosi , next year you will be a non!”

 

Beim Heimflug vermischten sich die Vorfreude auf zu Hause mit der Wehmut des Abschieds Und um mich zu beruhigen, begann ich meine nächste Reise im Kopf zu planen.

Sie wird uns 2016 Mitte Juni über Dharamsala hinauf über Manali nach  Ladakh

führen  in eine der beeindruckendsten Regionen Indiens. 10 Tage Trekking zwischen vier und  fünftausend Metern Seehöhe. Unendliche Weite und seelenberührende Stille, verwunschene Klöster und beindruckende Wüstenlandschaft.

Ich hoffe Du wirst  mit dabei sein!

Mit diesem Traum im Herzen schlummerte ich wohlig über den Wolken ein.